
Das Ding
Juni 7, 2025Anfang
Das Wesen mit dem Arsch zur Welt Ich sah es stehen, in der Ecke der Galerie, als hätte es jemand dort abgestellt und dann vergessen. Vielleicht aus Scham. Vielleicht aus Trotz. Vielleicht, weil niemand wusste, was es sein sollte – und keiner den Mut hatte zu fragen. Ein Wesen, halb Butter, halb verbranntes Brot. Untenrum gelb wie falsch gelebte Kindheit, oben ein praller weißer Rücken oder vielleicht ein entblößter Hintern, der sich trotzig in die Zukunft reckte. Ich konnte nicht wegsehen. Ich wollte lachen. Ich wollte weinen. Ich wollte Haribo. Nichts davon passierte. „Was ist das?“, fragte ich die Aufsicht. Sie sah mich an, als hätte ich gerade ihr Haustier beleidigt. „Ein Zustand“, sagte sie. Ein Zustand also. Ich dachte an meinen unaufgeräumten Kofferraum. An die Flasche Whisky, die ich gestern Nacht fallen ließ. An die alte Frau unter mir, die jeden Tag mit einem Löffel gegen die Heizung klopft. Zustand. Ja. Das passte. Es stand da mit der Wucht eines metaphysischen Irrtums. Irgendetwas war falsch gelaufen im Entwurf des Seins, und jetzt war es da – das Ding. Es hatte keine Augen, und doch sah es alles. Kein Mund, aber ich hörte es flüstern: „Ich bin die Rückseite deiner Gedanken. Ich bin der Moment, in dem du glaubst, du hast es verstanden – und dann überfährt dich der Schulbus.“ Ich ging näher. Die Farben schrien nicht. Sie murmelten. Gelb, Schwarz, Orange – als wären sie im Streit gewesen, aber keiner wollte das letzte Wort. Und mitten drin eine Falte, ein Riss, ein Zwischenraum. Vielleicht war dort Gott hineingekrochen, um ein Nickerchen zu machen oder aus Verzweiflung. Ich stand lange davor. Dann verließ ich die Galerie, ging in die Sonne und trat in Hundescheiße. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, ich hatte alles verstanden. Nur leider zu spät.
ENDE
